Der Schatz der Ynkas (Inkas). Historisch-politischer Roman der Gegenwart. In 3 Bänden.

472, 479, 474 S. Der Roman erzählt in spannendem Kolpo-Stil die abenteuerliche Geschichte der Sonora-Expedition von 1852- 1854. Der Held, Gaston Raouix de Raousset-Boulbon (* 2. Dezember 1817 in Avignon; † 12. August 1854 in Hermosillo, Mexiko) war ein französischer Abenteurer und Filibuster. Er entstammte dem verarmten Landadel aus der Gegend um Avignon und war entfernt mit dem französischen Königshaus verwandt. Nachdem er seine Jugend unter zum Teil abenteuerlichen Umständen in Algerien verbracht hatte, folgte er dem Ruf des kalifornischen Goldrausches. Dort angekommen, waren die interessantesten Claims bereits vergeben, so dass er in den folgenden Jahren zwei Versuche unternahm, wie etliche andere Abenteurer – sogenannte Filibuster –, einen eigenen Staat unter seiner Führung in Sonora zu gründen. Vom mexikanischen Militär wurde er jedoch besiegt, gefangen genommen und am 12. August 1854 in Hermosillo exekutiert. (Quelle: Wiki) Dass Karl May diesen Roman gründlich gelesen hat, lässt sich aus mehreren Parallelen zu Winnetou und Old Shatterhand nachweisen. 1. Eine Hauptrolle spielt das Freundespaar "Eisenarm" (Weißer, Pfadfinder und vortrefflicher Schütze) und "Wonodongah" (Häuptling der Comanchen, jung, edel und klug). 2. Bravourstücke des Alleskönners Raousset (Sprung zu Pferde über Abgrund, Präzisionsschüsse, Kraftstücke wie Umwerfen von Pferden, Führerqualitäten, geistige Überlegenheit, Ertragen von Schmerzen). 3. Wie Winnetou Christ wird, so lässt sich die Schwester Wonodongahs taufen. 4. Grausame Szenen, die auch bei Retcliffe nicht durch christliche Einsprache gemildert werden. (So stirbt der Pirat "Roter Hay" durch Zerreißen mittels zweier Bäume, bei May stirbt Old Wabble durch Zerquetschtwerden in einem Baumstamm.) 5. Außerdem: May verfasste 1890 selbst eine Erzählung unter dem Titel "Schatz der Inkas" (El Sendador II). Interessant ist die Tatsache, dass bei Retcliffe der indianische Oberschurke ein Mescalero-Apatsche ist, der "Wiscontah" (Wi-n-t + 3 Silben) heißt, während die Komantschen das gute Prinzip realisieren. (May hat das in der Indianerliteratur übliche Schema gut - böse, das auch bei Ferry gilt, umgekehrt.) Retcliffes Roman ist in späteren Ausgaben gekürzt und geändert worden. Einiges ist auch tatsächlich korrekturbedürftig. Der (hier nicht vorhandene) Reihentitel "Puebla" ist irreführend: die Puebla spielt im Roman überhaupt keine Rolle. Wonodongahs Schwester Windenblüthe wird eine Zeitlang Lindenblüthe genannt. Der Malaye "Makadröh" ist plötzlich Mulatte. Und mit den "Inkas" sind natürlich Azteken gemeint, wobei die Bezeichnungen abwechselnd verwendet werden. Unerklärlich (und eine Untersuchung wert) ist die mehrmalige Verwendung des Namens des Indianertöters "Kreuzträger" für "Eisenarm". (Der Kreuzträger ist einer der positiven Helden, der sich durch zweierlei auszeichnet: a) er tötet aus Rache alle Apachen, die ihm vor die Flinte kommen, und trägt die Tötung in eine Liste ein und b) er trägt ein Kreuz, das seine Christlichkeit dokumentiert und das ihm schließlich das Leben rettet. Bei Karl May ist der Bowie-Pater eine ähnliche Figur: er tötet Indianer, die sich nicht bekehren lassen. Wenn das keine Karikatur ist, ist es Christentum.) Dass sich Wonodongah am Ende von einer Frau zu Mord und in Wahnsinn bringen lässt, weist auf Goedsches Frauenbild hin (und wäre eine Anmerkung in Theweleits "Männerphantasien" wert.) Ein höchst spannender Roman Hermann Goedsches (der mit Fontane die Kreuzzeitung redigieren durfte) in der überaus seltenen Erstausgabe.

Kolportage, Indianer, Flibustier, Filibuster, Karl May, Sonora-Expedition 1852