Das frühe Christentum im Römischen Staat.

VIII, 592 S.; 20 cm, Guter Zustand. -- Um das Jahr 170 richtete der kleinasiatische Bischof Melito von Sardes eine Verteidigungsschrift für seinen Glauben an den Kaiser Marc Aurel. Er legt darin dem Herrscher nahe, die Streitigkeiten zwischen der "christlichen Philosophie" und dem Imperium Roma-num zu begraben und ein friedliches Verhältnis zwischen beiden Mächten anzustreben. Dieses Verlangen begründet der Christ mit einem für die damalige Zeit erstaunlichen Gedanken: "Unsere Religion reifte während der ruhmreichen Regierung Eures Vorgängers Augustus unter Euren Völkern zur Blüte und brachte vor allem Eurer Regierung Glück und Segen. Von da ab erhob sich nämlich die römische Macht zu Größe und Glanz." Mit der ernsten Mahnung, die Religion zu schützen, welche mit dem Imperium groß geworden sei und den Schutz des allmächtigen Gottes herabflehe, schließt der uns erhaltene Auszug des romfreundlichen Dokuments1. -- Diese Worte sind um so bemerkenswerter, als der Verfasser aus Kleinasien stammt, wo zur Zeit Domitians die erste große Christenverfolgung tobte, welche bei vielen Christen .eine betont romfeindliche Einstellung hervorgerufen hatte. Die Gleichsetzung Roms mit dem Antichristen, welche - aus früheren jüdischen Vorstellungen stammend -von dem Evangelisten Johannes deutlich ausgesprochen wurde, hatte auch zur Zeit Melitos und später großen Anklang gefunden. Besonders in Kleinasien wurde sie immer wieder vertreten. Irenaeus von Lyon, der Zeitgenosse des Apologeten, hatte aus seiner östlichen Heimat diese antirömische Haltung mitgebracht und ihr in seinen Werken wiederholt Ausdruck verliehen. Hippolyt von Rom, ebenfalls im griechischen Osten beheimatet, hatte in deutlicher Anspielung auf Melitodas Imperium des Augustus und Christi Erscheinen in einer scharfen und eindrucksvollen Antithese gegenübergestellt und, beeinflußt von ständigen Verfolgungen seiner Glaubensgefährten, Rom wiederum als neues Babylon und Hort des Antichristen bezeichnet2. Aber nicht solchen apokalyptischen Bildern sollte die Zukunft gehören, sondern den Ansätzen, welche Melito geschaffen hatte. Ausgehend von dem Wissen, daß die Kirche als sichtbares Zeichen Christi unter den Völkern nicht in ständiger Negation oder Gleichgültigkeit gegen die herrschenden Mächte leben könne, griffen Origenes und einige Jahrzehnte später Eusebius dieses Motiv vom gottgewollten Zusammentreffen der Pax Augusta mit dem Eintritt Christi in die Welt wieder auf und schufen daraus eine christliche Romtheologie, welche Konstantin und seine Nachfolger dankbar annahmen. Die natürliche Zuordnung der beiden Mächte, die "prästabilierte Harmonie zwischen den beiden monarchischen Institutionen" (Harnack), hatten die vernünftigen Geister auf beiden Seiten bald erkannt. Bereits drei Jahrhunderte nach der Kreuzigung Christi wurde sie im Bund zwischen Kaisertum und christlicher Religion verwirklicht. -- Mit dem Verhältnis des frühen Christentums zum römischen Staat befassen sich vor allem drei Disziplinen in der Wissenschaft, zwischen denen jedoch keineswegs eine klare Scheidung möglich ist. Neben der Patristik, einem Zweig der Theologie, steht die klassische Philologie, die ein unendlich weites Gebiet umfaßt, angefangen von der Edition der Texte bis hin zu literatur- und geistesgeschichtlichen Abhandlungen. Dazu tritt die althistorische Forschung, welche seit den Tagen Mommsens in weitem Maße die Rechtsgeschichte mit einschließt. Im folgenden soll ein kurzer Überblick den Gang der Forschung in diesen drei Bereichen verdeutlichen, im wesentlichen auf die letzten siebzig Jahre beschränkt. Daß ein solches Beginnen, auf wenige Seiten zusammengedrängt, unvollständig und subjektiv ausfallen muß, bedarf keiner weiteren Erklärung, zumal in diesem Rahmen auf die Nennung der bekannten Geschichtswerke, Kirchen-und Literaturgeschichten ganz verzichtet werden muß. (aus der Einleitung)