Der Goldmacher eine Erzählung um Johann Friedrich Böttger mit Illustrationen von Hans Wiegand Knabe Bücherei

starke gebrauchsspuren, einband an den kanten bestoßen beschabt, teils bechädigt , papiergebräunte seiten und schnitt. "Träume Er nicht, Böttger!"Der schmächtige Lehrling hinter dem Rezeptiertisch zuckte zusammen. Er neigte sich hastig über eine Schiefertafel mit den aufgeführten Zutaten und legte ein Fünf-Gran-Gewicht auf die Waagschale. Dann griff er nach dem Holzlöffel und ging zum Wandschrank mit den kleinen Schubfächern, uin die zerstoßenen Bestandteile für die Mischung zu holen. Dabei schielte er in die Ecke nach dem Herd, über dem ein glänzender Kupferkessel hing.Apotheker Zorn, der Besitzer der kurfürstlich privilegierten Apotheke am Neuen Markt in Berlin, hatte das Gehabe Friedrich Böttgers verfolgt und auch dessen sehnsüchtigen Blick zum Schmelztiegel bemerkt. Der Prinzipal äußerte seinen Unmut: "Er ist wieder bei seiner Alchimie. Ich habe Ihm die Bücher darüber nur geliehen, damit Er in der Freizeit seine Nase hineinsteckt. Bei der Arbeit aber bitte ich mir aus, daß Er seine Gedanken beisammenhält. Außerdem weiß Er, daß Er am Ofen nichts zu suchen hat."Friedrich verzog seinen Mund und dachte: Gleich wird er mir wieder vorhalten, in welche Gefahr ich alle brachte, als ich einmal auf dem Feuer herumsudelte, durch Sulfurdampf halb betäubt und erst wieder von den knisternden Flammen zur Besinnung gebracht wurde. Nun, was war schon dabei. Ich ersetzte doch den Schaden und säuberte alles. Warum muß der Prinzipal immer wieder darauf zurückkommen! Glaubt er wirklich, daß er mich dadurch vom Experimentieren abhalten könnte?Wie anders war doch der Vater gewesen. Friedrich erinnerte sich an seine Schulzeit in Schleiz. Dort wurde er geboren. Der Vater war gräflicher Kassenverwalter und hatte zugleich als Münzwardein die Geldstücke auf ihre Echtheit und ihre Zusammensetzung zu untersuchen. Diese Arbeit hatte ihn dazu gebracht, selber weiter zu forschen und zu experimentieren. Im Keller seines Hauses hatte er sich eine chemische Küche eingerichtet, in der er legierte. Friedrich durfte dem Vater Handreichungen machen, wenn der Metalle schmolz und mischte. Wie aufmerksam hatte Friedrich aufgepaßt, wenn der Vater tingierte, also färbte und Münzen dünn versilberte, und gespannt zugehört, wenn er ihm wichtige Stellen aus den lateinischen Schriften des gelehrten Erfurter Benediktinermönches Basilius Valentinus übersetzte, der Anfang des 15. Jahrhunderts mit großem Geschick Metalle untersuchte, Antimonverbindungen herstellte, Mangan und Zink aus Eisen gewann, Versuche mit Arsen, Quecksilber, und Schwefelsäure machte, Wismut fand und die Salzsäure entdeckte. Friedrich versuchte unermüdlich, die Experimente nachzumachen. Er stellte auch schon selbständig Versuche an und war stolz, wenn der Vater ihn lobte und anhielt, weiter zu probieren.Mit großem Eifer lernte Friedrich in der Schule Latein, um selber in Valentinus` geheimnisvollem Buch "Vom großen Stein der uralten Weisen" und in den Werken anderer Gelehrter lesen zu können.Aber auch an eine Prügelei von damals dachte er. Wie arg hatte er den Nachbarjungen zugerichtet, der ihn einen Hexenmeister schimpfte, und wie sehr hatten ihn die Schulkameraden gefoppt, als er eines Morgens mit angesengtem Haar und verbrannten Fingern zum Unterricht gekommen war. Der Ordinarius hatte verärgert die Stirn kraus gezogen und gemeint, daß der Herr Vater, ein hochgestellter und angesehener Mann, solchen Höllenspuk und eine derartige Teufelskunst in seinem Haus duldete, wäre ihm unverständlich. Doch erst jetzt, als Friedrich weiterforschte, kam ihm der Gedanke: Suchte nicht schon damals auch der Vater nach dem chemischen Gold? Vielleicht hätte er es sogar gefunden, wenn er nicht so früh gestorben wäre.Später war es der verständnisvolle Stiefvater gewesen, der den Drang zum Forschen in dem Jungen erneut anregte. Die Mutter hatte in Magdeburg den Stadtmajor Tiemarm geheiratet. Der Stiefvater, der unter dem Bürgermeister Otto von Guericke gedient hatte, erzählte begeistert von dessen physikalischen Experimenten und der Erfindung der Luftpumpe. Der Apparat zur Herstellung der Luftleere oder zur möglichst weitgehenden Verdünnung des Luftinhalts in einem geschlossenen Raum ließ sich Friedrich genau erklären. Wie hatte er Guericke bewundert, als Tiemann von ihm und seinen Halbkugeln berichtete. Die Magdeburger Bürger hatten zuerst über ihr Stadtoberhaupt gespottet, ihn verlacht und gehänselt, dann aber, über die geglückten Versuche gestaunt. Nicht einmal sechzehn Pferde, zu beiden Seiten angespannt, hatten die luftleeren Halbkugeln Guerickes auseinanderreißen können. Die ungeheure Gewalt der neuen Kraft hatte einen großen Eindruck auf die Zuschauer und die gelehrte Welt gemacht und auch Friedrich stark beeindruckt. Doch Friedrichs Interesse neigte sich immer mehr der Chemie und der Arzneikunde zu. Vater Tiemann willigte ein, daß sein Stiefsohn nach dem Besuch der höheren Schule die Arzneikunde erlernte und sich dazu erst einmal in der Fremde den Wind um die Ohren wehen lassen sollte. So war er zum Apotheker Zorn nach Berlin gekommen, dessen laute Stimme ihn jetzt recht unsanft aus seinen Erinnerungen riß. Der Prinzipal in lila Samtjacke, eine schwarze Kappe auf dem grauen Haar, trat neben Böttger, ergriff die Schale mit dem Gemisch und rührte zwei Unzen Honig darunter. Ein würziger Geruch verbreitete sich im Raum.Apotheker Zorn ordnete an: "Fülle Er die Arznei in ein Ton-töpfchen, verschließe Er es mit Pergament und bringe es dem Klostervorsteher Laskaris in den Gasthof. Wenn Er zurückkommt, zerstoße Er weiter die getrockneten Kräuter, vor allem Kamille und Schafgarbe. Ich habe in der Stadt zu tun." Damit verließ er eilig den Arbeitsraum. Friedrich Böttger drehte sich dem älteren Gehilfen zu, der in einem Mörser Ingwer zerkleinerte, und fragte neugierig: "Laskaris? Das klingt griechisch."Der Gehilfe ließ den Klöpfel los und erklärte: "Ja, der Bischof kommt von der Insel Mytilene. Er reist durch Europa, Almosen zu sammeln, um die Christen loszukaufen, äie in türkischer Gefangenschaft leben. So erzählte es uns der Wirt, als er das Rezept brachte. Du warst gerade im Keller und zapftest Spiritus Lavandulae ab."Böttger überquerte den Neuen Markt. Der gepflasterte Platz war leer. Nur sonnabends, wenn der Hauptmarkt abgehalten wurde, wimmelte es von Menschen vor den Fleisch-, Fisch-und Gemüseständen. Heute stand in der Mitte des Platzes einsam ein Galgen, an dem ein Soldat hing.Der Anblick flößte Friedrich Unbehagen ein. Er erinnerte sich an die Bekanntmachung in den "Berlinischen Nachrichten": Der Gehenkte war ein dreimal entlaufener Gardesoldat des Anfang dieses Jahres, 1701, in Königsberg zum König Friedrich I. von Preußen gekrönten Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg. Die Hinrichtung hatte in aller Frühe stattgefunden, aber der von seinen ehemaligen Kameraden Gerichtete sollte, der öffentlichen Abschreckung wegen, erst gegen Abend abgenommen und verscharrt werden.Friedrich blieb stehen und überlegte: ein grauenerregendes Bild zwischen bewohnten Häusern. Und hatten der König und seine Generale wirklich das Recht, einen jungen Menschen so barbarisch an Leib und Leben zu strafen, nur weil der sich dem harten Zwang und Drill entzogen hatte? Schnell ging Böttger an der Marienkirche vorüber in den Gasthof. Er fragte nach dem Fremden und wurde in Laskaris` Zimmer gewiesen. Der Mönch saß am Fenster und las. Als der Fremde dem Boten freundlich zunickte und ihn aufforderte, näher zu treten, fragte Friedrich etwas beklommen: "Ihr seid Arzt, ehrwürdiger Bruder?""Gewiß, ich habe auch Medizin studiert. Und du hast wohl die Latwerge gemischt? Vielleicht weißt du sogar, welche Krankheit dieses Mittel heilt?""Auszüge aus dem Buch

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